Wie uns die kollektive Dummheit in den neuen Faschismus führt
Der Begriff Dummheit begegnet uns im Alltag ständig. Doch was genau meint er, wenn wir von Dummheit als gesellschaftlichem Virus sprechen? Zunächst einmal geht es nicht um mangelnde Intelligenz oder unzureichendes Wissen allein. Vielmehr ist Dummheit in diesem Zusammenhang etwas Tiefergehendes. Sie bezeichnet eine kollektive Haltung, die sich hartnäckig weigert, komplexe Zusammenhänge zu akzeptieren, um stattdessen vereinfachende Sichtweisen vorzuziehen. Interessant ist hier die Perspektive von Dietrich Bonhoeffer, einem bedeutenden deutschen Theologen und Widerstandskämpfer, der feststellte, dass gegen Dummheit kein Kraut gewachsen sei, weil sie, anders als das bloße Nichtwissen, nicht durch Argumente zu überwinden ist. Er erkannte, dass Dummheit oft nicht aus Mangel an Fähigkeiten entsteht, sondern vielmehr eine Haltung beschreibt, die blind den einfachen Weg bevorzugt und dabei moralische Verantwortung ablehnt.
Der Philosoph Karl Popper betrachtete das Phänomen der bewussten Ignoranz ebenfalls kritisch. Ihm zufolge neigen Menschen dazu, an ihren Überzeugungen festzuhalten, solange diese ihre emotionale Sicherheit und Gruppenzugehörigkeit stärken, selbst wenn die Realität längst andere Fakten präsentiert. Diese komfortable Ignoranz verbreitet sich schnell und aggressiv, da sie emotionale Bedürfnisse anspricht und nicht auf rationale Erkenntnis angewiesen ist.
Ein wesentlicher Aspekt, der häufig unterschätzt wird, ist die gesellschaftliche Dynamik hinter diesem Phänomen. Denn Dummheit ist ansteckend. Sie floriert besonders dort, wo kritische Stimmen ausgegrenzt werden und Konformität belohnt wird.
Der Philosoph Karl Popper wies darauf hin, dass Gesellschaften, in denen kritisches Denken nicht gepflegt oder sogar unterdrückt wird, besonders anfällig für die Ausbreitung irrationaler Überzeugungen und gefährlicher Ideologien sind. Einen weiteren bemerkenswerten Beitrag liefert Hannah Arendt, die von der Banalität des Bösen sprach. Übertragen auf die Dummheit lässt sich sagen, dass gerade das Banale, das Alltägliche, das scheinbar Harmlose der Ignoranz diese so gefährlich macht.
Menschen bemerken oft gar nicht, wie sie nach und nach aufhören, kritisch zu hinterfragen, bis sie schließlich immun gegen jede rationale Einsicht geworden sind. Die große Herausforderung unserer Zeit liegt darin, diese Mechanismen zu erkennen und bewusst dagegen anzukämpfen. Denn anders als bei einem tatsächlichen Virus sind wir bei dieser gesellschaftlichen Epidemie nicht nur Betroffene, sondern auch Überträger. Und damit liegt es in unserer Verantwortung, bewusst zu entscheiden, ob wir Teil der Verbreitung oder Teil der Heilung sein möchten. Um besser zu verstehen, wie sich Dummheit als gesellschaftlicher Virus ausbreitet, lohnt es sich, die Verbreitungswege genauer unter die Lupe zu nehmen. Ein zentraler Aspekt ist die Rolle der modernen Medienwelt, die gezielt auf unsere Emotionen, nicht aber auf unseren Verstand abzielt.
Der Philosoph Neil Postman beschrieb bereits Mitte des 20. Jahrhunderts eindringlich, wie die Medien zunehmend das Denken verdrängen und die Unterhaltung an seine Stelle setzen. Damit entstehen ideale Bedingungen für eine epidemieartige Ausbreitung einfacher, aber falscher Narrative, die den Wunsch der Menschen nach Bestätigung ihrer Ansichten bedienen.
Doch auch jenseits der Medien spielen soziale Dynamiken eine entscheidende Rolle. Gustave Le Bon, Begründer der Massenpsychologie, erkannte bereits Ende des 19. Jahrhunderts, dass Menschen in Gruppen leichter manipulierbar sind und kritisches Denken in Massenbewegungen verloren geht. Seine Beobachtungen sind aktueller denn je. Heute verbinden uns soziale Netzwerke digital miteinander und verstärken das Phänomen der Gruppendynamik enorm. Hier entfaltet sich eine regelrechte Epidemie der Anpassung, bei der Menschen aus Angst vor Ausgrenzung ihre individuellen Denkprozesse abschalten und unhinterfragt populären Meinungen folgen. Hinzu kommt ein weiterer psychologischer Faktor, den der Psychologe Daniel Kahnemann intensiv erforscht hat. Die menschliche Tendenz, schnelle, intuitive Entscheidungen, System 1, gegenüber anstrengendem, rationalem Nachdenken, System 2, zu bevorzugen. Die Verlockung einfacher Antworten und das emotionale Bedürfnis, Unsicherheit zu vermeiden, führen dazu, dass Menschen sich unbewusst für die bequeme Dummheit entscheiden.
Kahnemann zeigt auf, dass diese Neigung tief in unserem Denken verankert ist und deshalb besonders anfällig für Manipulationen und Fehlinformationen macht. Ein weiteres Phänomen, das zur epidemischen Ausbreitung von Dummheit beiträgt, ist das von Elie Pariser beschriebene Konzept der Filterblasen. In digitalen Netzwerken werden uns Inhalte präsentiert, die unsere bestehenden Ansichten verstärken und bestätigen, während widersprechende Informationen ausgeblendet werden. So entstehen parallele Realitäten, in denen Menschen immer weiter voneinander entfernt werden, unfähig oder unwillig, die Realität aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Diese Selbstverstärkung bewirkt eine rasante Ausbreitung irrationaler Ansichten, die resistent gegen Vernunft und Argumente sind. Schließlich warnte bereits Friedrich Nietzsche davor, dass Menschen, die in einer Welt der Bequemlichkeit leben, schnell die Fähigkeit verlieren, sich mit unbequemen Wahrheiten auseinanderzusetzen. Diese geistige Trägheit wird zur Gewohnheit und macht es denjenigen, die mit Absicht oder aus Unwissenheit Dummheit verbreiten, umso leichter, ihre Botschaften wirksam zu platzieren. Die Ausbreitung dieses gesellschaftlichen Virus der Dummheit ist also keineswegs zufällig oder einfach auf individuelle Schwächen zurückzuführen. Sie folgt vielmehr klaren Mustern und wird durch Medien, Gruppenzwang, psychologische Mechanismen und gesellschaftliche Dynamiken stetig verstärkt. Um dieser Entwicklung entgegenzutreten, ist es daher unerlässlich, diese Mechanismen offen zu legen und sie bewusst zu hinterfragen. Denn nur wer die Ursachen versteht, kann sich wirksam gegen die schleichende Infektion schützen. Die Epidemie der Dummheit bleibt nicht unsichtbar. Sie zeigt sich in unserer Sprache, in unserem Verhalten und in der Art, wie wir aufeinander reagieren. Wie jede ansteckende Krankheit hat auch dieser gesellschaftliche Virus klare Symptome, Muster, die sich immer wieder wiederholen und die, wenn sie unbeachtet bleiben, fatale Konsequenzen haben können. Die offensichtlichsten Anzeichen sind die Verbreitung von Halbwissen, die zunehmende Emotionalisierung von Debatten und die Unfähigkeit, komplexe Zusammenhänge differenziert zu betrachten.
Doch die Krankheit reicht noch tiefer. Eines der ersten Symptome einer von Dummheit befallenen Gesellschaft ist der zunehmende Drang, komplexe Sachverhalte auf ein simples Schwarz-Weiß-Denken zu reduzieren. Statt sich mit den Grautönen einer vielschichtigen Realität auseinanderzusetzen, fordern Menschen klare Feindbilder und einfache Lösungen.
Der Psychologe Erich Fromm sprach in seinem Werk die Furcht vor der Freiheit davon, dass Menschen, die sich überfordert fühlen, dazu neigen, sich autoritären Denkmustern zu unterwerfen. Sie suchen nach starken Meinungen, die ihnen das Denken abnehmen und folgen blind jenen, die ihre Unsicherheiten in einfache Antworten verpacken. Dieses Symptom zeigt sich besonders in politischen und gesellschaftlichen Diskussionen. Differenzierte Argumente werden als zu kompliziert abgetan, wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert oder als irrelevant bezeichnet, wenn sie nicht ins persönliche Weltbild passen. In einer Gesellschaft, die an dieser Krankheit leidet, werden diejenigen, die sich mit den Details auseinandersetzen, als verkopft oder zu akademisch abgestempelt, während jene, die sich lautstark und mit plakativen Slogans äußern, immer mehr Gehör finden. Ein weiteres klares Anzeichen für die gesellschaftliche Verbreitung von Dummheit ist der zunehmende Einfluss von Emotionen auf öffentliche Diskurse. Statt rationale Argumente und Beweise zu analysieren, reagieren Menschen immer häufiger emotional, oft mit Wut, Angst oder Abwehr. Hannah Arendt schrieb in Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft, dass Gesellschaften, die auf Angst und Empörung aufgebaut sind, leicht manipulierbar werden. Menschen hören dann nicht mehr zu, um zu verstehen, sondern nur noch, um ihre eigenen Emotionen bestätigt zu sehen. Das zeigt sich besonders in der heutigen Diskussionskultur. Fakten werden weniger wichtig als das Gefühl, im Recht zu sein. Widerspruch wird nicht als Chance zur Weiterentwicklung gesehen, sondern als persönlicher Angriff empfunden.
Die Folge ist eine immer größere Polarisierung, bei der jeder Andersdenkende automatisch zum Feind erklärt wird. Das vielleicht gefährlichste Symptom dieser Epidemie ist die bewusste Ablehnung von Wissen. Der Philosoph Bertrand Russell sagte einst, das größte Problem der Welt ist, dass die Dummen sich ihrer Sache immer sicher sind, während die Klugen voller Zweifel sind.
Dieses Phänomen ist heute als der Dunning-Kruger-Effekt bekannt. Je weniger Menschen wissen, desto mehr überschätzen sie ihr Wissen und desto selbstbewusster treten sie auf. Ein Beispiel für diese Resistenz gegen Wissen ist das Misstrauen gegenüber Experten.
In einer von Dummheit geprägten Gesellschaft gelten Fachleute nicht mehr als Autoritäten, sondern als Teil einer Elite, die angeblich eigene Interessen verfolgt. Das Vertrauen in Wissenschaft, Bildung und Journalismus nimmt ab, während stattdessen selbsternannte Wahrheitssucher an Einfluss gewinnen, die Meinungen mit Wissen verwechseln. Ein weiteres Symptom dieser Epidemie ist die systematische Förderung von Mittelmäßigkeit.
Anstatt Exzellenz oder geistige Tiefe zu belohnen, werden Durchschnittlichkeit und Oberflächlichkeit als Norm gesetzt. Dies zeigt sich in der Popkultur, in Bildungssystemen und sogar in der Arbeitswelt. Die Kultur des schnellen Konsums hat dazu geführt, dass tiefgründige Analysen und anspruchsvolle Inhalte zunehmend aus dem öffentlichen Raum verdrängt werden.
Der Soziologe Theodor W. Adorno sprach bereits in der Mitte des 20. Jahrhunderts von der Kulturindustrie, die darauf ausgelegt ist, Menschen mit oberflächlicher Unterhaltung ruhig zu stellen. Statt geistiger Anstrengung dominiert Ablenkung, statt kritischem Denken herrscht passive Berieselung. Dies führt langfristig dazu, dass Menschen nicht nur das Interesse an komplexen Themen verlieren, sondern sich auch daran gewöhnen, einfache, emotionalisierende Inhalte für Wahrheit zu halten. Ein letztes, besonders alarmierendes Symptom dieser Krankheit ist der Niedergang des echten Dialogs. Eine gesunde Gesellschaft lebt von Debatte, Austausch und der Bereitschaft, andere Meinungen zu hören.
Doch in einer von Dummheit befallenen Gesellschaft wird das Gespräch zunehmend durch Parolen ersetzt. Statt Argumente zu formulieren, werden Schlagworte wiederholt. Statt zuzuhören, wird unterbrochen. Statt aufeinander einzugehen, werden Gegner persönlich attackiert. Sokrates, einer der größten Denker der Antike, glaubte, dass wahre Weisheit aus dem Dialog entsteht. Doch eine von Dummheit geprägte Gesellschaft erstickt den Dialog, weil er gefährlich ist. Er zwingt Menschen dazu, ihre Überzeugungen infrage zu stellen. Wenn Menschen nicht mehr miteinander reden, sondern nur noch übereinander, hat sich die Krankheit bereits tief in das soziale Gefüge gefressen. Das Gefährliche daran ist nicht nur, dass die Fähigkeit zum kritischen Denken schwindet, sondern auch, dass die Gesellschaft in feindliche Lager zerfällt, in denen keine Verständigung mehr möglich ist.
Wer sind de Profiteure der Ignoranz, wem dient Dummheit? Dummheit ist kein zufälliges Phänomen, das sich aus sich selbst heraus entfaltet. Sie wird bewusst genährt, verstärkt und genutzt von politischen, wirtschaftlichen und medialen Akteuren, die von einer uninformierten oder leicht manipulierbaren Gesellschaft profitieren. Eine geistig träge Masse ist einfacher zu kontrollieren, leichter zu lenken und empfänglicher für Manipulation.
Die Geschichte zeigt immer wieder, dass politische Systeme davon profitieren, wenn Bürger nicht zu viel hinterfragen. Der römische Dichter Juvenal beschrieb diesen Mechanismus bereits in der Antike mit dem Begriff »Panem et Circens« – »Brot und Spiele«. Die Idee dahinter ist simpel.
Solange das Volk mit Unterhaltung und Grundversorgung beschäftigt ist, wird es sich nicht mit den tiefer liegenden Missständen auseinandersetzen. Moderne Regierungen und politische Akteure nutzen heute ähnliche Mechanismen. Ablenkung durch Skandale, bewusst geschürte Angst und gezielte Polarisierung dienen dazu, die Bevölkerung von drängenden, aber komplexen Problemen abzulenken. Populisten beispielsweise leben davon, dass sie die Emotionen der Menschen ansprechen, während sie sachliche Auseinandersetzungen vermeiden. Sie bieten einfache Lösungen für komplexe Probleme an und kultivieren das Misstrauen gegenüber Wissenschaft, Medien und unabhängigen Institutionen. George Orwell beschreibt in 1984 eindrucksvoll, wie Sprache selbst zu einem Instrument der Kontrolle wird.
Durch eine gezielte Vereinfachung und Manipulation des Wortschatzes – Neusprech – wird die Fähigkeit der Menschen, kritisch zu denken, systematisch eingeschränkt. Zwar sind wir von solch extremer Kontrolle noch entfernt, doch das Prinzip ist erkennbar. Wenn politische Kommunikation sich darauf beschränkt, Parolen und Feindbilder zu verbreiten, anstatt eine echte Debatte zu führen, dann ist dies kein Zufall, sondern Strategie.
Während in der Politik Dummheit ein Mittel zur Machterhaltung ist, ist sie in der Wirtschaft ein entscheidender Faktor für den Profit. Der Kapitalismus lebt davon, dass Menschen konsumieren und dafür müssen sie möglichst impulsiv, unreflektiert und manipulierbar sein. Die Werbeindustrie setzt genau darauf, sie nutzt psychologische Mechanismen, um Menschen nicht auf Basis rationaler Überlegungen, sondern auf Basis von Emotionen und Trieben zum Kauf zu verleiten.
Edward Bernays, der Begründer der modernen PR und ein Neffe Sigmund Freuds, erkannte früh, dass sich Menschen nicht durch Argumente, sondern durch unterschwellige Botschaften steuern lassen. Sein Werk Propaganda legte die Grundsteine dafür, wie Unternehmen die Massen durch emotionale Reize beeinflussen können. Die Modeindustrie lebt von künstlich geschaffenen Trends, die suggerieren, dass man ständig Neues kaufen muss, um gesellschaftlich anerkannt zu bleiben.
Die Lebensmittelindustrie nutzt ungesunde, aber süchtig machende Produkte, um Verbraucher dauerhaft an sich zu binden. Die Technikindustrie entwirft Geräte, die so gebaut sind, dass sie nach wenigen Jahren veralten oder kaputt gehen. Ein Konzept, das als geplante Obsoleszenz bekannt ist. Doch der vielleicht gefährlichste Aspekt ist die systematische Förderung geistiger Trägheit durch digitale Medien. Plattformen wie TikTok, Instagram und YouTube haben Algorithmen entwickelt, die nicht auf Bildung oder kritisches Denken abzielen, sondern auf maximale Verweildauer. Und was hält Menschen am längsten auf einer Plattform? Oberflächliche, emotionale, schnelle Inhalte, nicht tiefgehende Analysen oder reflektierte Auseinandersetzungen.
Aldous Huxley beschrieb in Schöne neue Welt eine dystopische Zukunft, in der Menschen durch eine Mischung aus Vergnügungssucht, Konsumzwang und geistiger Ablenkung in einem Zustand der Zufriedenheit gehalten werden. Unfähig, die eigene Unfreiheit zu erkennen. Je mehr wir uns in einer Welt bewegen, in der Menschen freiwillig ihre Zeit mit bedeutungslosen Inhalten verschwenden, desto näher kommen wir diesem Szenario. Die Medien sollten eigentlich eine aufklärende und informierende Rolle übernehmen. Doch in vielen Fällen tragen sie selbst zur Verbreitung der Dummheit bei. Der Grund ist einfach. Information ist kein Selbstzweck, sondern ein Geschäftsmodell. Und Aufklärung verkauft sich schlecht. Skandale, Drama und Kontroversen hingegen generieren Klicks und Einschaltquoten.
Noam Chomsky und Edward S. Herrmann analysierten in Manufacturing Consent, wie Medien in modernen Gesellschaften dazu genutzt werden, um die öffentliche Meinung zu formen, ohne dass eine offene Zensur nötig ist. Statt Informationen zu unterdrücken, wird einfach das präsentiert, was der jeweiligen Agenda dient. Und der Rest wird ignoriert. Die Psychologie hinter diesem Mechanismus ist perfide. Menschen glauben, dass sie informiert sind, weil sie täglich Nachrichten konsumieren. Doch wenn diese Nachrichten nur einen selektiven Ausschnitt der Realität zeigen, dann entsteht ein verzerrtes Weltbild, in dem die entscheidenden Zusammenhänge fehlen. Besonders gefährlich ist dieser Mechanismus in sozialen Medien. Hier bestimmen Algorithmen, welche Inhalte sichtbar sind. Und diese Algorithmen belohnen Polarisierung, Empörung und Emotionalisierung. Ein differenzierter, sachlicher Beitrag wird kaum Reichweite bekommen, während ein polemisches, provokantes Video viral geht. So wird der öffentliche Diskurs zunehmend verzerrt und auf extreme Positionen zugespitzt. Der Philosoph Marshall McLuhan prägte den Satz, »The medium is the message«.
Das Medium selbst formt also die Art und Weise, wie wir denken. Wenn die dominierenden Medienformate darauf abzielen, uns möglichst emotional und reaktiv zu machen, dann wird dies zwangsläufig auch unsere Gesellschaft prägen. Einer der effizientesten Wege, Dummheit langfristig zu erhalten, ist die Kontrolle über das Bildungssystem. Denn wer Bildung steuert, steuert die Zukunft. Das heutige Bildungssystem bereitet Menschen nicht darauf vor, kritisch zu denken, komplexe Probleme zu lösen oder eigenständig zu hinterfragen. Stattdessen setzt es auf auswendig Lernen, Prüfungen und Anpassung an bestehende Strukturen.
Der Philosoph Ivan Illich kritisierte bereits in »Entschulung der Gesellschaft«, dass Schulen weniger Orte der Bildung als vielmehr der Disziplinierung seien, mit dem Ziel, Menschen an das bestehende System anzupassen, anstatt ihnen beizubringen, es infrage zu stellen. Das Problem liegt nicht nur im Inhalt, sondern auch in der Methodik. Kinder lernen, dass es eine richtige Antwort gibt, die sie auswendig wiedergeben müssen. Sie lernen, dass Kreativität und kritisches Denken oft weniger belohnt werden als Konformität. Sie werden darauf konditioniert, Autoritäten nicht zu hinterfragen, eine Prägung, die sich später in ihrem Verhalten als Erwachsene widerspiegelt. Der Schriftsteller Mark Twain sagte einst, »Ich habe meine Bildung nie durch meine Schulbildung beeinträchtigen lassen.« Ein Satz, der verdeutlicht, dass wahres Wissen oft außerhalb der institutionalisierten Bildung gesucht werden muss.
Die Epidemie der Dummheit hat sich tief in unsere Gesellschaft gefressen. Sie bestimmt unsere Diskurse, formt unsere Wahrnehmung und beeinflusst unser Verhalten oft unbemerkt.
Doch so wie jede Krankheit ihre Gegenmittel hat, gibt es auch Wege, dieser Entwicklung bewusst entgegenzuwirken. Die Herausforderung liegt nicht nur darin, sich selbst von der Trägheit des Denkens zu befreien, sondern auch darin, gesellschaftliche Strukturen zu hinterfragen, die Dummheit fördern und verstärken. Der erste und wichtigste Schritt ist das bewusste Kultivieren kritischen Denkens. Es reicht nicht aus, Informationen einfach nur zu konsumieren. Sie müssen hinterfragt, geprüft und reflektiert werden.
Der Philosoph Immanuel Kant beschrieb diesen Prozess als den Mut, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. Doch dieser Mut erfordert Anstrengung und ist oft unbequem, denn er bedeutet, sich selbst und seine Überzeugungen infrage zu stellen. Ein Mensch, der kritisch denkt, ist schwer zu manipulieren, weil er sich nicht mit einfachen Antworten zufrieden gibt. Doch genau das macht kritisches Denken so gefährlich für jene, die von einer unreflektierten Masse profitieren.
Ein wesentlicher Teil des Impfstoffs gegen Dummheit liegt daher in der Förderung intellektueller Eigenständigkeit. Menschen müssen lernen, sich aktiv Wissen anzueignen, anstatt sich von Algorithmen und Massenmedien diktieren zu lassen, was sie denken sollen. Die Fähigkeit, verschiedene Perspektiven einzunehmen und Informationen aus unterschiedlichen Quellen zu beziehen, ist entscheidend, um der Einseitigkeit und Verzerrung zu entkommen. Wer sich nur in seiner eigenen Meinungsblase bewegt, wird unfähig, die Welt in ihrer Komplexität zu erfassen. Doch Wissen allein reicht nicht aus. Es muss auch der Wille vorhanden sein, es zu nutzen.
Hannah Arendt warnte davor, dass die größte Gefahr für eine Gesellschaft nicht die bewusste Bosheit sei, sondern die passive Zustimmung der vielen. Menschen, die schweigen, wegsehen oder sich nicht für die Wahrheit interessieren, tragen unbewusst zur Verbreitung der Dummheit bei. Es braucht daher nicht nur kluge Köpfe, sondern auch mutige Stimmen. Die Bereitschaft, unbequeme Wahrheiten auszusprechen, sich gegen Manipulation zu wehren und Verantwortung für die eigene Bildung zu übernehmen, ist essentiell. Ein weiterer Schlüssel zur Überwindung dieser Epidemie liegt in der Förderung echter Dialoge. Dummheit gedeiht dort, wo Diskussionen in Geschrei und Polarisierung abrutschen.
Der griechische Philosoph Sokrates wusste, dass wahres Wissen nicht durch das Predigen fester Überzeugungen entsteht, sondern durch das gemeinsame Suchen nach Erkenntnis. Unsere Gesellschaft muss lernen, wieder zuzuhören, nicht mit der Absicht, zu antworten, sondern um zu verstehen. Solange Menschen sich nur noch gegenseitig mit vorgefertigten Meinungen bewerfen, aber nicht mehr bereit sind, Argumente ernsthaft zu prüfen, wird die Dummheit sich weiter ausbreiten.
Es liegt an uns, ob wir passive Teilnehmer einer Welt bleiben, in der Dummheit regiert, oder ob wir uns aktiv dagegenstellen. Dummheit ist keine unvermeidbare Krankheit, sondern eine Entscheidung, ebenso wie Weisheit eine Entscheidung ist. Wir können uns entscheiden, einfach zu glauben, was uns gesagt wird, oder selbst nachzudenken. Wir können uns entscheiden, uns manipulieren zu lassen oder unabhängig zu hinterfragen. Wir können uns entscheiden, in einer Gesellschaft zu leben, die sich in Oberflächlichkeit verliert oder in einer, die echte Tiefe sucht. Der Impfstoff gegen Dummheit ist kein schnelles Heilmittel. Es gibt keine einfache Pille, die das Problem über Nacht löst. Doch jeder Mensch, der beginnt, seine Gedanken zu hinterfragen, jeder, der sich aus der Passivität befreit und aktiv nach Erkenntnis strebt, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Der erste Schritt ist, nicht länger blind zu folgen, sondern mutig zu denken.